30. Dezember 2014
Geben ist ihr fremd.
Dessen Nähe sie heute sucht
und genießt, dem kann es schon morgen passieren, abserviert zu werden wie
ein leergegessener Teller. So ist sie nun mal. Sie nimmt.
26. Dezember 2014
Der liebe Gott
Wenn es donnerte, sagte sie: „Hörst du, Liebgottche schimpft!“ Und wenn sie ihn beim Naschen erwischte, ermahnte sie ihn: „Liebgottche sieht alles!“ Seine Großmutter war eine gottesfürchtige Frau. Eines Tages, er war um die sechs, sieben Jahre alt, schlug sie die Bibel auf und las ihm aus der Genesis vor: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Anscheinend beschäftigte ihn der Gedanke, denn kurze Zeit später fragte er sie: „Was hat denn der liebe Gott vorher gemacht?“ Damit hatte sie nicht gerechnet. Als er erwachsen war, lernte er, dass seine Frage, die in der Familie immer wieder zum besten gegeben wurde, gar nicht so originell war. Viele Kinder fragen das. Und erfahren, dass selbst Erwachsene nicht auf alles eine Antwort wissen.
25. Dezember 2014
24. Dezember 2014
Zu viert am Glühweinstand
Es ist dieser kleine, klitzekleine s-Fehler, der Rosi einen mädchenhaften Charme verleiht, den Charme der Schutzbedürftigkeit. Robert sieht seiner Mutter frappierend ähnlich, ähnlicher als seine Mutter sich selbst. Uwes Frauen sind stets vom gleichen Typ; nur dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass seine derzeitige nicht die vom vorigen Mal ist.
23. Dezember 2014
Seit dem 23. September 2014 liegt sie hier
in meiner Küche auf dem Fensterbrett, strahlend rot und prall wie ein Ballon. Spurlos ziehen
die Tage und Wochen an ihr vorüber. Ein kleines Bollwerk gegen den nagenden
Zahn der Zeit.
(siehe auch 23. November 2014)
22. Dezember 2014
Im November ist sie achtundsiebzig geworden.
Die Klamotten, die sie trägt, stünden auch einer Vierzigjährigen gut zu Gesicht, ihren SUV fährt sie schneidig, und seit zwei Jahren kifft sie. Niemals zuvor hatte sie in ihrem langen Leben, wie sie sagte, einen Joint in der Hand gehabt. Als die neuen Mieter, ein junges Paar, eingezogen waren und sie gemeinsam im Garten grillten, passierte es. Er baute sich eine Tüte, zündete sie an und hielt sie ihr ganz selbstverständlich hin. Warum nicht, dachte sie sich und zog daran. Und siehe da, sie begann zu schweben, richtig zu schweben, hat sie erzählt, und dabei gegrinst, als hätte sie eben herausgefunden, dass die Kinder nicht vom Klapperstorch gebracht werden.
21. Dezember 2014
Am Nebentisch
Sie bemüht sich redlich, sein Geschwätz durch ständiges Lachen zu absorbieren. Leider missversteht er das als Zustimmung und hört nicht auf, einen Schmarren an den nächsten zu reihen.
19. Dezember 2014
Alter Kumpel.
Sie trank eine Tasse Tee und aß eine mit Marmelade bestrichene Scheibe Toastbrot. Mehr nahm sie nicht zu sich, bevor sie ins Fitnesstudio ging. Erst danach würde sie ordentlich frühstücken. Da es zu nieseln anfing, ging sie noch einmal ins Schlafzimmer, um einen Schirm zu holen. Darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, ließ sie die Tür offen stehen und verließ leise das Haus. Gegen zehn war sie zurück. Sie stellte Kaffee auf und deckte den Tisch. „Aufstehen! Frühstück!“ rief sie. Sie bekam keine Antwort. Er war tot.
18. Dezember 2014
17. Dezember 2014
Sie bewegt sich also doch!
Obwohl es nur 22 Jahre her ist, seit Johannes Paul II. es ex cathedra bestätigt hat, wissen schon jetzt 66%(!) der Europäer, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und nicht umgekehrt.
Islamgelehrte sehen das etwas anders:
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16. Dezember 2014
Und jedes Mal zuckt sie zusammen.
Getauft wurde sie auf Marie-Luise. Gerufen wurde sie
Malu. Als ihr drei Jahre jüngerer Bruder, er war damals zehn und hatte eben im Radio den Schlager Schön ist jeder Tag, den du mir schenkst, Marie-Luise gehört, sie
mit dieser Zeile empfing – sie kam gerade aus der Schule –, bekam er prompt
eine gescheuert. Anscheinend hatte er ihr das nicht vergessen. Drei Jahre
später, als er sich sicher sein konnte, ihr körperlich überlegen zu sein,
sprach er sie zum ersten Mal wieder mit Marie-Luise an, und blieb dabei, bis auf
den heutigen Tag.
14. Dezember 2014
12. Dezember 2014
Giuseppe
„Die Deutschen respektieren mich. In der Lombardei würde mir das als Sizilianer nicht gelingen. Für die bin ich ein Afrikaner.“
„Und was ist gegen einen Afrikaner zu sagen?“
„Das musst du die fragen und nicht mich.“
„Dann seid ihr sozusagen die Sachsen der Republik Italien?“
„Schön wär’s.“
11. Dezember 2014
Die Bedachtsamkeit
mit der sie ihr Glas
an den Mund führte, erinnerte ihn an Albert Mangelsdorff. Genauso hatte er sein
Mundstück angesetzt. Und einen fulminanten Chorus gespielt. Aber vielleicht hat
ja auch sie etwas Unerhörtes mitzuteilen.
10. Dezember 2014
9. Dezember 2014
Eine strenge Frau
Unwirsch zoppelt sie seine Krawatte zurecht und wischt ihm die Schuppen vom Kragen. Wahrscheinlich kommt die einzig freundliche Stimme, die er zu hören kriegt, aus seinem Navi.
8. Dezember 2014
Liebe macht blind und verstopft die Ohren.
Seine muffelige Tochter saß ihm gegenüber, den Kopf nach unten geknickt, die Kinnspitze fast auf der Brust, als schaute sie sich in den Ausschnitt, ein Smartphone in der Hand, auf dem sie mit dem Zeigefinger wischte, als jagte sie hinter einem wendigen Käfer her. Sein väterlich bewundernder Blick erinnerte an einen Musiker, einen Hornisten des Staatstheaters Mainz, der seiner Tochter beim Geigenspiel fasziniert zuhörte. Dass sie nur selten einen sauberen Ton produzierte, hatte ihn nicht daran gehindert, sich immer wieder beifallheischend ob seiner begabten Tochter umzuschauen.
7. Dezember 2014
6. Dezember 2014
5. Dezember 2014
Der Tischnachbar
Ohne ein einziges Mal den Blick zu heben, las er vornübergebeugt in einem Magazin. Er hatte nur abwesend genickt, als ich mich nach einem „Sie gestatten?“ dazusetzte. Nachdem die Kellnerin mir den zweiten Wein hingestellt hatte, blieb sie etwas unschlüssig stehen, bevor sie ihn fragte, ob sie die Tasse mitnehmen dürfe. Er zuckte kurz zusammen und erwiderte freundlich: „Voilà!“ Erstaunt sah sie ihn an. „Bitte!" setzte er nach und schob die Tasse in ihre Richtung. „Danke!“ sagte die Kellnerin, sichtlich erleichtert. Anscheinend merkte er, wie mich die Situation amüsierte. Er lächelte, und wir sprachen kurz miteinander. Ohne ihn danach gefragt zu haben, sagte er, er wohne in Neustadt an der Weinstraße, sei aber sehr häufig in Frankreich. Ich hatte also doch nicht so ganz danebengelegen, ihn für einen Franzosen gehalten zu haben. Auch wenn ich nicht zu sagen wüsste, woran man einen Franzosen erkennt.
4. Dezember 2014
3. Dezember 2014
Ihre Telefonnummer ist die alte geblieben.
Wenigstens eine Konstante, wenn sie schon ihren Kerl gewechselt hat. Würde mich interessieren, was der Neue für einer ist. Wahrscheinlich ein anderer Typ als sein Vorgänger, der mein Nachfolger war. Wie hatte sie doch zu mir gesagt? Einen wie dich habe ich nur ein Mal. Ein Kompliment war das nicht, oder? Hieß das doch: mit einem wie dir lasse ich mich kein zweites Mal ein. Zumindest hatte ich es so verstanden, sprach er und lächelte mich dabei verlegen an.
2. Dezember 2014
Plötzlich schlingerte der Wagen
und die Schlußszene aus „Lohn der Angst“ schoss ihm durch den Kopf, wie Yves Montand mit seinem Laster Slalom fährt und … Ganz automatisch hatte er das Bremspedal durchgetreten und gegengesteuert. Er atmete ein paar Mal durch, bevor er ausstieg und nachsah. Der linke Hinterreifen war geplatzt. Die Woche fängt gut an.
1. Dezember 2014
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