28. Februar 2015
„Findeste nicht auch?“ sagte sie und gab ihm einen Schubs in die Rippen. Er wusste nicht, was sie meinte, weil er nicht zugehört hatte. „So könnte man das sehen“, erwiderte er geistesgegenwärtig, begleitet von einem wichtigtuerischen Kopfnicken. „So sehe ich das auch“, bestätigte sie ihn. Verdammt raffiniert von mir, lobte er sich.
26. Februar 2015
Faust oder Gretchen, das ist hier die Frage
Ob sie sich das gut überlegt haben, ihn auf Johann Wolfgang taufen zu lassen, nur weil ihr Vater Johann und sein Vater Wolfgang heißt? Was wird die Klasse feixen, wenn er eine 4 oder 5 im Aufsatz schreibt … Faust werden sie ihn nennen, vorausgesetzt, er spielt ordentlich Fußball. Wenn nicht, ist er das Gretchen. Aber was geht mich das an.
25. Februar 2015
24. Februar 2015
Absicht oder Schlamperei?
Wer einen Menschen zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder aus einem anderen niedrigen Beweggrund tötet, ist ein Mörder. Insofern ist es zutreffend, von Selbstmordattentätern zu sprechen. Aber ein Mensch, der sich tötet, weil er seine psychischen oder physischen Schmerzen nicht länger ertragen kann, wie kann man den einen Mörder, einen Selbst-Mörder nennen? Wenn das der Osservatore Romano tut, darf einen das nicht wundern. Doch wenn seriöse Medien es dem gleichtun, wundert einen das schon.
23. Februar 2015
Noch leben wir in einem freien Land –!
Sie hat nun mal eine verdammt erotische Ausstrahlung, so wie sie ihren Hintern bewegt. Nicht dass es ihn unbedingt in Wallung versetzte. Aber hinschauen, das tat er schon ganz gerne. Zuletzt meinte Thomas, man sollte ihn als jugendgefährdend auf den Index setzen. "So weit käm’s noch, dass der Staat bestimmt, wie eine ihren Hintern zu bewegen hat!" erwiderte Volker allen Ernstes. Seit er den neuen Houellebecq gelesen hat, reagiert er völlig humorlos, wenn es um solche Themen geht.
22. Februar 2015
21. Februar 2015
Ein Wort zu Martin Luther
Viele Ausdrücke, die er schuf, als er das Neue
Testament in die deutsche Sprache übersetzte, führen wir noch heute im Munde:
Feuertaufe, Bluthund, Selbstverleugnung,
Machtwort, Schandfleck, Lückenbüßer, Gewissensbisse, Herzenslust, Morgenland,
friedfertig, Nächstenliebe, Lästermaul, Lockvogel, Firmament, geistreich,
Geizhals, prahlen, Schauplatz, Vorhaut, Pöbel, kleingläubig, Feigenblatt,
Sündenbock …
Auch Redewendungen wie:
Perlen vor die Säue werfen, ein Buch mit sieben
Siegeln, die Zähne zusammenbeißen, etwas ausposaunen, im Dunkeln tappen, ein
Herz und eine Seele, auf Sand bauen, Wolf im Schafspelz, Rat und Tat, seine
Zunge im Zaum halten, schlecht und recht, Fleisch und Blut, Mark und
Bein gehen auf ihn zurück. Seine sprachschöpferische und stilistische
Leistung ist einzigartig.
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Anm. Wieso eigentlich sprechen seine Nachfahren, die an den Mikrofonen deutscher Rundfunkanstalten sitzen, seinen Namen englisch aus, wenn von dem Pastor und Bürgerrechtler Martin Luther King die Rede ist? Bei dem einen klingt es Martin Luuser King, bei dem anderen Martin Lusser King, vielleicht gibt es noch eine dritte Variante zwischen Luuser und Lusser. Nach Luther jedenfalls klingt es nie.
20. Februar 2015
Ich bin sein Schnäppchen.
Trinken wir einen? fragte er mich, als wir uns heute Morgen auf der Fressgass begegneten. Auch wenn immer ich es bin, der zahlt (und bei einem Wein bleibt es nie), so ziehe ich doch einen nicht geringen Nutzen daraus. Beispielsweise hätte ich für die Matratze, die ich letztes Jahr gekauft habe, ohne seinen Tipp gut einen Hunderter mehr hinlegen müssen. Ich glaube, ich habe noch nie über etwas anderes mit ihm gesprochen als über Schnäppchen.
19. Februar 2015
Auf der Konstablerwache
Um mir nicht sein Gebabbel anhören zu müssen, bleibe ich stehen und wende mich dem Stand mit den Kürbissen zu. Während ich ihm nachblicke, frage ich mich, weshalb er so getan hat, als hätte er mich nicht gesehen. Er muss mich gesehen haben.
Über Fotografie
Die benutzerfreundliche Technik macht glauben, jeder, der einen Finger an der Hand hat, könnte fotografieren. Das ist falsch! Richtig ist: Er kann draufdrücken.
18. Februar 2015
Der Wortführer am Nebentisch erinnert mich an einen Politiker, der durch Verschlucken aller Präpositionen und aller Vor- und Nachsilben einen mehrgliedrigen Satz auf zwei, drei Laute reduzierte, als fürchtete er, seine Zuhörer könnten ihn verstehen, ja, als fürchtete er, sich selbst zu verstehen. Aber vielleicht ging es ihm nur darum, jede seiner Äußerungen dementieren zu können.
Frankfurt am Main / Steinweg
Ausreichende englische Sprachkenntnisse sind die Voraussetzung, damit Zuwanderer an der deutschen Leitkultur teilhaben können.
17. Februar 2015
Seine runzelig weiße Haut mit den braunen Flecken erinnerte ihn an Matzen.
Früher, wenn die Nachbarn Pessach oder eine Bar Mizwa feierten, schickten sie eines ihrer Kinder mit ein paar Fladen vorbei. Wenn er sich dann das erste Stück abbrach und es in den Mund steckte, zögerte er für einen Moment, weil er an Hostien dachte. Die hätte er nie gekaut, die ließ er zwischen Zunge und Gaumen zergehen. Schließlich ist die Hostie der Leib Christi, und die Vorstellung, er würde … Das dachte er nie zuende.
15. Februar 2015
13. Februar 2015
Zur rechten Zeit am rechten Ort
Letzte Woche, bei der feierlichen Amtseinführung des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella, war auch Silvio Berlusconi zugegen. Zur Erheiterung berichtete Berlusconi von folgender Begebenheit:
Ein Sizilianer wird von der Polizei kontrolliert. Auf die Frage, was er in seiner Tasche habe, gibt er an, nichts anderes sei darinnen als ein Taschenrechner. Bei der Durchsuchung kommt eine Lupara, eine abgesägte Schrotflinte, zum Vorschein. Meint der Sizilianer: „Was regt ihr euch auf? So wird nun mal bei uns abgerechnet."
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Anm.: Mattarellas Bruder Piersanti wurde 1980 von der sizilianischen Cosa Nostra erschossen. Berlusconi war viermal Ministerpräsident von Italien.
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Anm.: Mattarellas Bruder Piersanti wurde 1980 von der sizilianischen Cosa Nostra erschossen. Berlusconi war viermal Ministerpräsident von Italien.
12. Februar 2015
Politsprech
Immer mehr werden die Wörter wie die Bilder gebraucht: schillernd und alles Mögliche bedeutend, dementierfähig.
11. Februar 2015
10. Februar 2015
8. Februar 2015
Die Gefahr lauert überall
Als sie in das Alter kam, in dem ihre Virginität in Gefahr geriet, schickten ihre Eltern sie ins Gymnasium der Ursulinen. Dass sich ein Messdiener und dann der Kaplan an sie ranmachen würden, konnten sie bei Gott nicht ahnen.
7. Februar 2015
Die Eitle
Würde ihr einer flüstern, der Mann auf der anderen Straßenseite sei angesichts ihres Aussehens vom Rad gefallen, sie würde es glauben. Zugegeben, sie sieht auffallend gut aus. Sie hat ein ebenmäßiges Gesicht, volle Lippen, langes, schwarzes Haar und eine schlanke Figur, alles was eine Frau zu einer schönen Frau macht. Ungeachtet dessen ist sie von paradigmatischer Unerotizität.
6. Februar 2015
… als wenn einer immer denselben Satz sagte.
Es gibt Künstler, die sich über Jahrzehnte ständig wiederholen. Ihre Galeristen nennen das Konsequenz.
4. Februar 2015
unter lustigen vögeln
Und da sagen doch maßgebliche Germanisten, unsere Sprache würde nichts an Informationswert verlieren, wenn wir zur radikalen Kleinschreibung übergingen ... Welch ein Irrtum!
3. Februar 2015
2. Februar 2015
Miteinander schlafen, das taten sie schon seit Jahren nicht mehr.
Pünktlich um halb acht verließen sie das Haus und
kehrten, je nach Stundenplan, zwischen zwölf und eins zurück. Wer zuerst da
war, bereitete das Essen vor, meist Nudeln mit einer in der Mikrowelle
aufgetauten Soße, oder Aufgewärmtes vom Abend zuvor. Die Sommerferien
verbrachten sie in Frankreich. Beide liebten sie den Atlantik und das kleine
Häuschen in Vendée, das sie in den Achtzigern erworben hatten. Sie lebten
still und zufrieden nebeneinanderher. Bis Jenny auftauchte. Danach änderte sich
alles.
1. Februar 2015
Der Aushilfskellner
Die Bestellung nahm er mit einem angedeuteten Nicken auf, um sich wortlos dem
nächsten Tisch zuzuwenden. Es war augenscheinlich, dass er uns zeigen wollte,
welche Überwindung es ihn kostete, uns zu bedienen. Bei unserem heutigen Besuch
berichtete der Wirt, es sei der Cousin seiner Frau gewesen, der Ende letzten Jahres seine Magisterarbeit gemacht habe. Ach! staunte Heinz und grinste,
wenn dem so ist –!
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