31. Januar 2015

Ganz gleich, welches Thema aufs Tablett kommt, sie denkt immer das, was man gemeinhin darüber denkt. Ich glaube, sie hat nicht ein einziges Mal versucht, einer Sache einen eigenen Gedanken abzugewinnen. Vielleicht ist sie deshalb überall gern gesehen. 

30. Januar 2015

Der Anruf

Er würde sie anrufen, hatte er gesagt. Da sie Tage später noch immer nichts von ihm gehört hatte, war sie es, die anrief und ihn vorwurfsvoll daran erinnerte. „Ich habe nicht gesagt – wann!“ erwiderte er mit erhobener Stimme. Natürlich ärgerte sie das. Aber es beeindruckte sie auch. Bei nächster Gelegenheit beglückte sie ihre Freundin Christa damit. „Bitte?“ fragte die nach. „Ich habe nicht gesagt – wann!“ wiederholte sie brav, und kam sich sehr, sehr schlau vor. „Und ich, ich sage dir“, fuhr Christa sie an, „Du kannst mich mal!“, und legte auf. Jede hofft jetzt, dass die andere sich irgendwann meldet. 

29. Januar 2015

Gott vergibt Django nie!
Gott vergibt, Django nie!
(siehe dazu Das Komma, Post vom 13. November 2014) 

28. Januar 2015
















54 Prozent der über 55-Jährigen verbringen ihren Urlaub lieber im eigenen Land als im Ausland. Zu den beliebtesten Zielen zählen Nord- und Ostsee.  

27. Januar 2015

Ohne die Leitplanken von Zuversicht und einem anständigen Frühstück, wie will man da einigermaßen unbeschadet durch den Tag kommen?

26. Januar 2015

Carola

Ob ich Peine kenne, fragt sie mich. Da stamme sie her. Nein, kenne ich nicht. Aber der Name hat etwas Programmatisches, denke ich.

25. Januar 2015

24. Januar 2015

Ein unerwünschter Besuch

Nur ihre Stimme war zu hören. Sie war wohl am Telefonieren. Jetzt klapperte Geschirr, als räumte sie die Spülmaschine aus. Anscheinend war das Gespräch beendet. Er klopfte an die Tür. Sofort war es still, kein Laut mehr zu hören, eine nahezu hörbare Stille.

23. Januar 2015

Vor kurzem in Stadtschwarzach, Unterfranken

„Noch ein Piffchen Grauburgunder, bitte“, bestelle ich. „Entschuldigung“, setze ich nach, „ich meine …“ Das kenne er, unterbricht er mich, ein Achtel würde ich wohl meinen. Sie hätten öfter Gäste aus dem Hessischen, sagt er, ganz unkokett, sachlich. Ich mag Kellner, die die Distanz wahren und die Linke auf den Rücken legen, wenn sie den Wein einschenken, um kundzutun, dass sie nichts Arges im Schilde führen.

22. Januar 2015

Draußen vor der Tür

stehen drei Männer und eine Frau beieinander. Die Frau blickt vorwurfsvoll zum Himmel, denn es ist kalt und sie hat nichts Warmes an, die Männer blicken einer jungen Frau nach und grinsen. Der mit der Glatze friert, er schüttelt sich wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt. Der ältere Mann, der aus der Tür tritt, wird mit einem komplizenhaften Lacher begrüßt. Ohne darauf zu reagieren, nestelt er in seiner Hosentasche, bis er sein Feuerzeug gefunden hat. Er zündet sich eine an, schließt die Augen und zieht tief ein. Die drei Männer und die Frau drücken ihre Zigaretten aus und kehren zurück in die Weinstube. Der ältere Mann holt sein Handy aus der Rocktasche, klappt es auf, wirft einen Blick darauf, klappt es zu und steckt es wieder ein. Er nimmt noch einen tiefen Zug, bevor er die nicht einmal halbaufgerauchte Zigarette löscht. Der Mann, der aus der Weinstube kommt, hält ihm die Tür auf.

21. Januar 2015












Die Magnolie hat bereits ihre Knospen ausgefahren, während die Linde im Nachbargarten die letzten welken Blätter nicht hergeben will.

20. Januar 2015

Verwaltungsbeamte

Gleich zu Anfang hatte ihm sein damaliger Chef die Warnung mit auf den Weg gegeben: Der Maulwurf, der zuerst den Kopf rausstreckt, kriegt eins mit der Schaufel auf die Birne. Seinem Sohn hat er das oft erzählt. Bestimmt wird auch er sich, wenn er demnächst in den Öffentlichen Dienst eintritt, an die goldenen Regeln allen Verwaltungshandelns halten:
Das haben wir schon immer so gemacht!
Das haben wir noch nie gemacht!
Da könnte ja jeder kommen!

19. Januar 2015

Wie sich die Sprache ändert

Früher hätten sie ihn respektvoll einen wohlbeleibten Herrn mit grau meliertem Haar genannt. Heute nennen sie ihn einen übergewichtigen Sugardaddy.

17. Januar 2015

Das Geständnis, dreckiges Geld angenommen zu haben, wäre der schlimmste anzunehmende Fall. (Und wer weiß, wie die Spender reagierten –?) Dann doch lieber darauf beharren, man habe sein Ehrenwort gegeben. Und sich als homme d’honneur ins Privatleben zurückziehen. 

15. Januar 2015

Der Anwalt der alten Damen

Die Kollegen grinsen spöttisch, wenn er mit seinen Haferlschuhen, wie man sie in Bayern trägt, und dem mit Hirschknöpfen bestückten Janker daherkommt. Dass sein Outfit klug gewählt ist – weil vertrauensstiftend für einsame ältere Damen, hinter deren Portfolio er her ist –, ahnt keiner, außer den Angehörigen der Betroffenen, die machtlos zusehen müssen, wie er sie ausnimmt. Vor kurzem beschenkte ihn eine alte Dame mit einem Paul Klee aus dem Familienbesitz, auf den er schon lange ein Auge geworfen hatte. Würde der von seinen Fällen leben müssen, nicht einmal den Nagel könnte er sich leisten, an dem das Bild hängt! tobte der Cousin der Spenderin und hofft, dass ihm doch endlich mal einer das Handwerk legt. 

14. Januar 2015

Emile Cioran über die „Neureichen des Absoluten“:

„Man vergleiche ihre Impertinenz mit der Bescheidenheit und den guten Manieren derer, die im Begriff sind, ihren Glauben und ihre Überzeugungen zu verlieren.“ Gemeint sind Konvertiten. (Die kriegt man ja in diesen Tagen gehäuft zu sehen und zu hören.)

13. Januar 2015




Das Büro ist sein natürliches Umfeld, das er nur verlässt, um sich ein Gyros zu holen, das er sich zwischen die Finger klemmt und auf dem Rückweg verdrückt. Seine Frau sagt: Das ist kein Essen, das ist ein Hinunterschlingen. Irgendwann würde ihm sein Magen die Rechnung präsentieren. Er solle ja nicht mit ihrem Mitleid rechnen! Dieses schreckliche Gyros, das würde er doch nur essen, weil der Grieche keine zwanzig Schritte von seinem Büro entfernt ist. Wäre der Grieche ein Türke, würde er Döner fressen. Du würdest alles fressen, weil es dir egal ist, was du frisst. Drück dich nicht so ordinär aus, entgegnet er dann und fragt, was es im Fernsehen gibt.

12. Januar 2015

Unverwechselbar wie ihre Vuitton-Taschen

sind die Näschen der Charity-Ladies und anderer Damen der gehobenen Gesellschaft. Entweder sie waren alle bei ein und demselben Näschenmacher oder die Näschenmacher kommen aus ein und derselben Näschenmacherschule. Wahrscheinlich letzteres.

11. Januar 2015

Wörter verharren einen kurzen Augenblick in der Luft

dann sind sie weg, spurlos, als wären sie nie dagewesen. Manche aber hinterlassen einen Nachklang, der Jahre später noch gehört wird.

10. Januar 2015

Gibt es denn nur noch Starregisseure, Parteigranden, Hühnerbarone, Literaturpäbste, Rinderbarone, Schweinekönige, Malerfürsten, Schuldenkönige, Deichgrafen, Landesfürsten, Leinwandköniginnen, Fußballkaiser, ja sogar Fußballgötter … ? Geht’s denn nicht ne Nummer kleiner? 

9. Januar 2015

Eine geladene Kanone

Ihre hohe Kränkbarkeit, gepaart mit bescheidenen cerebralen Fähigkeiten und dem totalen Mangel an Empathie, bildet die Grundlage für ihre Aggression, die sich zu selbstvergessener Wut steigern kann.

8. Januar 2015

Momentaufnahme

Wie kann man nur eine gekochte Haspel essen, mitsamt der dicken, fetten, borstigen Schwarte –? Ernst kann das, er hat den Magen eines Bartgeiers. Dem Mann am Nebentisch, wohl ein Auswärtiger, fällt ständig das Stück Handkäs, kaum, dass er es auf dem Messer hat, in den Teller. Und jetzt auf die Hose! Anscheinend hat der Kellner es beobachtet. Er reicht ihm eine Gabel und nickt ihm aufmunternd zu. Echt können die nicht sein, die prallen Rundungen unter Lisas Sweatshirt. Ganz bestimmt sind da Push-ups am Werk! „Was macht eigentlich Lisbeth?“ fragt sie und wischt sich den Mund ab. Es gibt ihr keiner eine Antwort. Auch gut, denkt sie wahrscheinlich, und bestellt noch einen Schoppen. Ernst ist fertig mit seiner Haspel und winkt der Bedienung. Die nickt nur und bringt ihm einen Calvados. Er kippt ihn, steht auf und grunzt: „Ich geh mal eine rauchen.“ „Du hast gar nichts gegessen“, stellt Lisa fest und guckt mich erstaunt an. „Stimmt!“ sage ich. „Was macht eigentlich Lisbeth?“ fragt sie mich. Ich nicke nachdenklich, und Lisa stellt fest, dass der Schoppen im Gemalten Haus besser ist.

7. Januar 2015










In der Zeit, in der er im Knast saß, stieg er in der Hierarchie der Ehrenwerten Gesellschaft ganz nach oben. Keiner seiner Leute hatte nur die geringste Chance, ihm seinen Rang streitig zu machen. Bis vor kurzem. Ihn, dessen Name sie bis dahin ehrfürchtig geflüstert haben, nennen sie jetzt totes Fleisch.

6. Januar 2015

Der Sitzriese

Steht er auf, überrascht es, dass ein so mächtiger Oberkörper von so kurzen, dünnen Beinen getragen werden kann. Früher, in der Schule beim 100-Meter-Lauf, schauten alle gebannt zu, wie seine Beine wirbelten, schneller als bei jedem anderen. Trotzdem kam er immer unter ferner liefen ins Ziel.

5. Januar 2015

Jeder wusste, dass sie ihm Hörner aufsetzte.

Nur er nicht. Vor kurzem haben sie sich getrennt. Nachdem die Vermögensverhältnisse einvernehmlich geregelt und notariell beurkundet waren, beichtete er ihr, schon seit Jahren eine Geliebte zu haben, die der Grund seiner vielen Geschäftsreisen war. Sie war wie geplättet –! Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass er sie derart schamlos hintergehen würde. 

Kipp-Phänomen

In ihrem Auto stank es, als läge seit Tagen ein toter Vogel unterm Sitz. Sie zu bitten, bei dieser Kälte kurz das Fenster öffnen zu dürfen, versagte er sich. Sie würde doch fragen – weshalb. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, deutete sie mit dem Daumen nach hinten, wo eine Papiertüte auf dem Rücksitz lag, und meinte, sie müsse einen kleinen Umweg fahren, um ihrer Mutter den Käse vorbeizubringen, den sie auf dem Markt für sie eingekauft hatte. In diesem Augenblick stieg ihm ein köstlicher Duft nach reifem Camembert in die Nase.  

4. Januar 2015

Sie gleicht der Supermarket Lady

als hätte sie Duane Hanson Modell gestanden, nur dass sie keine Lockenwickler auf dem Kopf hat. Ihr Mann, den sie liebevoll ironisch mein Gatte nennt, ist spindeldürr. Er ist Marathonläufer und absolviert zwei bis drei Läufe pro Jahr. Da zählt jedes Gramm, sagt er, und sie nickt. Ihr Selbstbewusstsein, behauptet Liesl, kommt daher, dass er immer Lust auf sie hat. Liesl muss es wissen, denn die beiden sind beste Freundinnen.

3. Januar 2015



Konrad Duden (* 3. Januar 1829  † 1. August 1911)
Erfinder des Rechtschreibfehlers



2. Januar 2015


Alice Schwarzer schon ewig nicht mehr gesehen! Auch Heiner Geisler macht sich rar. Arnulf Baring taucht gar nicht mehr auf. Nur auf Wolfgang Bosbach ist Verlass.